Mandanteninformation | 02.03.23
Fragen und Antworten zum Lieferkettengesetz geändert
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) haben am 27. Februar 2023 die Fragen und Antworten zum Lieferkettengesetz (FAQs) geändert. Wir stellen die wesentlichen Änderungen vor.
1. Begriff des unmittelbaren Zulieferers
Der neue Gliederungspunkt II.2. der FAQs geht der Frage nach, ob ein Zulieferer als unmittelbarer Zulieferer zu qualifizieren ist, wenn er zwar keine vertragliche Beziehung zum verpflichteten Unternehmen hat, dieses aber unmittelbar beliefert.
Die FAQs lehnen die Beurteilung als unmittelbarer Zulieferer ab. Unmittelbarer Zulieferern sei allein das Unternehmen, mit dem das verpflichtete Unternehmen eine unmittelbare Vertragsbeziehung hat. Die Vertragsbeziehung sei das entscheidende Unterscheidungsmerkmal. Dem ist zuzustimmen (vgl. Gehling/Fischer, in Gehling/Ott, LkSG, 2022, § 2 Rn. 363).
Die FAQs weisen vorsorglich auf die Umgehungsvorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 2 LkSG hin. Bei missbräuchlichen Gestaltungen kann auch ein mittelbarer Zulieferer als unmittelbarer Zulieferer gelten.
2. Anwendung des Gesetzes auf Unternehmen mit gemeinnütziger Unternehmensform
Die FAQS befassen sich in der neuen Gliederungsziffer
III. 4. mit der neuen Frage, ob das Gesetz auch auf Unternehmen mit
gemeinnütziger Unternehmensform Anwendung findet, also etwa auf eine gGmbH,
gUG, gAG oder auf Genossenschaften. Sie bejahen die Frage ohne Einschränkung.
Dem ist zuzustimmen. Nach § 1 Absatz 1 LkSG ist das Gesetz auf Unternehmen
ungeachtet ihrer Rechtsform anzuwenden.
3. Anwendung des Gesetzes im Konzern
Ziffer IV. 7. der FAQs befasst sich, wie schon bisher, mit der Anwendung des Gesetzes im Konzern.
Die FAQs gehen unverändert vom Grundsatz aus, dass jedes verpflichtete Unternehmen im Konzern das Gesetz getrennt durchführen muss (Grundsatz der „getrennten Durchführung“). Sie erläutern eingehend, dass dies insbesondere für die Jahresberichterstattung gelte: Jedes verpflichtete Unternehmen im Konzern müsse einen eigenen Jahresbericht (§ 10 Abs. 2 LkSG) vorlegen.
Im Übrigen behalten die FAQs ihre konzernrechtliche Grundlinie im Wesentlichen bei: Wenn die Konzerngesellschaft nicht dem eigenen Geschäftsbereich der Konzernobergesellschaft zuzurechnen sei, müssen die verpflichteten Konzernunternehmen – so die FAQs – das Gesetz getrennt anwenden. Möglich sei, dass sie sich bei einzelnen Maßnahmen abstimmen, etwa bei Schulungen oder bei der Grundsatzerklärung. Etwas weiter reichen die Möglichkeiten einer konzerndimensionalen Anwendung des Gesetzes nach den FAQs, wenn die verpflichtete Konzerngesellschaft dem eigenen Geschäftsbereich der Konzernobergesellschaft zuzurechnen sei. Dann könne die Konzernobergesellschaft das Risikomanagement zentral ausgestalten, die zentralen Vorgaben in den Konzerngesellschaften ausrollen und sich sodann auf eine Überwachung beschränken. Alternativ habe die Obergesellschaft die Möglichkeit, sich von vornherein für eine eher dezentrale Umsetzung zu entscheiden. Die Anwendung des Gesetzes nach konzerneinheitlichen Vorgaben würden aber nichts daran ändern, dass die verpflichtete Konzerngesellschaft immer eigene Verantwortung für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten des LkSG trage.
Den naheliegenden Fall, dass die Konzernobergesellschaft, auch ohne bestimmenden Einfluss auf die Konzerngesellschaft zu haben, ein einheitliches und konzernweites Human Rights Management einführt, sehen die FAQs nicht. An der rechtlichen Zulässigkeit besteht aber kein Zweifel. Nur einzelne Pflichten sind notwendig auf der Ebene der Konzerngesellschaft abzuarbeiten, etwa die Unterrichtung der Geschäftsleitung nach § 4 Abs. 3 Satz 3 LkSG, die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung durch die Unternehmensleitung der Konzerngesellschaft nach § 6 Abs. 2 Satz 2 LkSG oder der jährliche Bericht. Vereinfachungen sind auch hier möglich: Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die Unterrichtung nach § 4 Abs. 3 Satz 3 LkSG einheitlich für die Geschäftsleitungen aller verpflichteten Konzerngesellschaften vorgenommen werden kann. Auch die Grundsatzerklärungen der Konzerngesellschaften können und sollten inhaltlich eng aufeinander abgestimmt sein. Es wäre unsinnig, wenn in einem einheitlichen Konzern Grundsatzerklärungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten kursieren. Es spricht auch nichts dagegen, wenn die internen Regeln zum Human Rights Management zentral und konzerneinheitlich vorgegeben werden, wenn der oder die Menschenrechtsbeauftragte(r) der Konzernobergesellschaft dieselbe Funktion auch in den Konzerngesellschaften übernimmt oder wenn die Risikoanalyse von einer zentralen Stelle im Konzern vorbereitet wird. Die FAQS sind offenbar von der Sorge geleitet, dass eine konzernweite Umsetzung von Sorgfaltspflichten zu einer Verwässerung des menschenrechtlichen Schutzes führt. Die Praxis zeigt, dass das Gegenteil zutreffend ist. Die Qualität der Risikoanalyse nimmt offensichtlich zu, wenn konzernweite Erkenntnisse zugrunde gelegt werden. Ein Beispiel: Die Beschaffung und das Supplier Quality Management werden in Unternehmen und Unternehmensgruppen häufig zentral geführt, entweder für das gesamte Unternehmen oder für Unternehmensbereiche. Die Regelungszwecke des LkSG werden offensichtlich dann am besten erreicht, wenn diese zentralen Einheiten (unter Leitung und Kontrolle des Menschenrechtsbeauftragten) auch für die Erfüllung der gesetzlichen Sorgfaltspflichten des LkSG in die Pflicht genommen werden. Die Konzerngesellschaft hat keine Chance, bessere Erkenntnisse über Risiken in den Lieferketten zu gewinnen als das zentrale Supplier Management. Erst recht hat sie keine Möglichkeiten, Corrective Action Plans bei einem Zulieferer wirksamer durchsetzen als die zentrale Beschaffungsabteilung und ein Menschenrechtsbeauftragter, der für den gesamten Konzern spricht.
Der europäische Gesetzgeber hat die Schwächen einer rechtsträgerbezogenen Regelung, wie sie für das LkSG kennzeichnend ist, erkannt. Der Vorschlag für eine europäische Lieferkettenrichtlinie erlaubt der Konzernobergesellschaft wie selbstverständlich, die gesetzlichen Sorgfaltspflichten für alle dem Gesetz unterliegenden Konzerngesellschaften zu übernehmen. Richtiger wäre ein Wahlrecht der Konzernobergesellschaft zwischen einer rechtsträgerbezogenen und einer konzernweiten Anwendung des Gesetzes, im letzteren Fall mit befreiender Wirkung für alle Konzerngesellschaften. Das dient der Effizienz des Human Rights Management, nicht der Verwässerung von gesetzlichen Sorgfaltspflichten.
4. Einrichtung eines Risikomanagements
Die FAQs geben in Ziffer VII. 1. zusätzliche Erläuterungen zur Einrichtung des Risikomanagements, genauer zu Bestellung des Menschenrechtsbeauftragten.
Wie schon bisher, nehmen die FAQs an, dass das Gesetz keine besonderen Anforderungen an die berufliche Qualifikation des oder der Menschenrechtsbeauftragten stellt. Er muss insbesondere kein Jurist sein. Die FAQs ergänzen nun, dass das Unternehmen auch am besten entscheiden könne, in welcher Abteilung bzw. auf welcher Ebene die zuständige(n) Person(en) im Unternehmen angesiedelt werden und welche Qualifikation für den jeweiligen Kontext des Unternehmens geeignet sind. Die für die Überwachung des Risikomanagements zuständige(n) Person(en) müssten auch nicht notwendig in Deutschland ansässig sein. Das ist eine wichtige Information für Unternehmen, die international tätig sind und oft schon seit Jahren über ein den internationalen Standards entsprechendes Human Rights Management verfügen.
Die FAQs heben jedoch hervor, dass die Zuständigkeit für die Überwachung des Human Rights Management „innerhalb“ des Unternehmens zu benennen sei. Der für die Überwachung zuständige Mitarbeiter könne nicht „extern benannt“ werden. Der Hinweis ist alles andere als klar. Offenbar sehen die FAQs eine Art Outsourcingverbot für die Funktion des Menschenrechtsbeauftragten. Rechtsmethodisch wäre diese Annahme eher gewagt und lässt sich jedenfalls nicht aus § 4 Abs. 3 LkSG („wer innerhalb des Unternehmens dafür zuständig ist, …“) herleiten. Unklar ist auch, ob die Anmerkung darüber hinaus auch auf die Anwendung des Gesetzes im Konzern zielt. Sie würde dann die in der Praxis wichtige Frage betreffen, ob der oder die Menschenrechtsbeauftragte der Konzernobergesellschaft dieselbe Funktion auch in Konzerngesellschaften übernehmen kann. Das kann aber nicht ernstlich zweifelhaft sein.
5. „Schonfrist“ bei der Berichterstattung nach § 10 Abs. 2 LkSG
Unternehmen haben nach § 10 Abs. 2 LkSG jährlich einen Bericht über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten im vergangenen Geschäftsjahr zu erstellen. Der Bericht muss nach § 10 Abs. 2 LkSG spätestens vier Monate nach dem Schluss des Geschäftsjahrs auf der Internetseite des Unternehmens öffentlich zugänglich gemacht werden.
Schon bisher hatten die FAQs angekündigt, dass das BAFA das Vorliegen der Berichte sowie deren Veröffentlichung erstmalig zum Stichtag 1. Juni 2024 nachprüfen werde, also eine Art „Schonfrist“ von zwei Monaten gewährt. Die FAQs präzisieren nun, wie das BAFA mit der „Schonfrist“ im Einzelnen umgeht.
Ob Unternehmen zu empfehlen ist, unter Abweichung von der gesetzlichen Vorgabe mit der Aufstellung und Veröffentlichung des Berichts bis zum 1. Juni 2024 zuzuwarten, ist sehr zweifelhaft und entspricht jedenfalls nicht einem geordneten Compliance Management.
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