Mandanteninformation | 08.03.23
Aktuelle BFH-Entscheidung sichert Erbschaftsteuerfreiheit für Familienheim – und eröffnet Gestaltungen für Steuerausländer zur steuerfreien Vererbung von Vermögen
Die Versorgung des längerlebenden Ehegatten ist ein wichtiger Baustein bei der Nachfolgeplanung. Neben der Zuwendung von Liquidität ist es vielfach der Wunsch von Ehegatten, dass der längerlebende Ehegatte das selbst bewohnte Haus oder die selbst bewohnte Wohnung weiter nutzen kann. Dieser Wunsch wird in vielen Testamenten durch ein (Voraus-) Vermächtnis für den längerlebenden Ehegatten umgesetzt.
Da jedoch Immobilien – insbesondere in der gegenwärtigen Lage – sehr hoch bewertet werden, kann dies zu einer erheblichen Erbschaftsteuerbelastung für den hinterbliebenen Ehegatten führen. Dieses Spannungsverhältnis hat auch der Steuergesetzgeber erkannt und in § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG eine in der Höhe unbegrenzte Steuerbefreiung für die selbstgenutzte Immobilie, das sog. Familienheim, für den länger lebenden Ehegatten vorgesehen.
Nach der Entscheidung vom 29. November 2017 (Az. II R 14/16) herrschte allerdings eine gewisse Verunsicherung, ob bei Zuwendung des Familienheims per Vermächtnis auch die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b, Nr. 4c ErbStG gewährt werden würde. Verschiedene Autoren haben dies in Zweifel gezogen. Der BFH hat mit seiner am 28. Februar 2023 veröffentlichten Entscheidung erfreulicherweise zugunsten der Steuerpflichtigen Klarheit hinsichtlich dieser wichtigen Gestaltung in vielen Testamenten geschaffen: Nicht nur die unmittelbare Vererbung des Familienheims, sondern auch die Zuwendung per Vermächtnis an den längerlebenden Ehegatten ist erbschaftsteuerfrei.
Daneben hat der BFH auch einer weiteren interessanten Gestaltungsoption für im Ausland ansässige zukünftige Erblasser mit Immobilienvermögen im Inland die Steuerfreiheit bescheinigt. Die Entscheidung greift auch für andere bestimmte Vermögensgegenstände.
I. Hintergrund: Urteil vom 29. November 2017, Az. II R 14/16
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG ist der Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an dem sog. Familienheim von Todes wegen erbschaftsteuerfrei. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um ein im Inland belegenes bebautes Grundstück handelt, das vom Erblasser zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde und vom Erwerber unverzüglich nach Erwerb zur Selbstnutzung bestimmt wird. Entscheidend für den Steuerpflichtigen ist hierbei, dass diese Steuerbefreiung der Höhe nach unbegrenzt ist. Weder die Größe noch der Wert des Grundstücks sind insoweit entscheidend. Entscheidend für die Gewährung der Steuerbefreiung ist jedoch, dass der Erwerber das Eigentum oder Miteigentum von Todes wegen erwirbt.
Hieran anknüpfend hat der BFH in seinem Urteil vom 29. November 2017 (Az. II R 14/16) die Revision eines überlebenden Ehegatten zurückgewiesen und die Versagung der Steuerbefreiung durch das Finanzamt bestätigt. In jenem Fall erwarb die spätere Erblasserin eine noch zu errichtende Eigentumswohnung von einem Bauträger. Zugunsten der späteren Erblasserin wurde auch eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Zum Todeszeitpunkt war der Kaufpreis jedoch aufgrund einer noch zurückbehaltenen Kaufpreisrate noch nicht vollständig bezahlt. In den Nachlass fiel daher nicht das Eigentum an der Wohnung, sondern nur der Eigentumsverschaffungsanspruch in Form eines sog. Anwartschaftsrechts.
Der BFH argumentierte, dass die Steuerbefreiung eng auszulegen und nur bei einem Erwerb des Eigentums zu gewähren sei. Die Steuerbefreiung erfordere den Erwerb des Eigentums. Der bloße Erwerb eines Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums sei daher nicht steuerbegünstigt.
Infolge dieses Urteils entstand eine gewisse Verunsicherung, ob zukünftig nur noch ein Eigentumserwerb als Erbe der Steuerbegünstigung unterfallen könnte. Einige Autoren rieten zur Vorsicht bei der Zuwendung des Familienheims per Vermächtnis, denn ein Vermächtnis begründe nur einen schuldrechtlichen Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen den Erben auf Übertragung des Familienheims.
II. Urteil vom 23. November 2022, Az. II R 37/19
In dem Urteil vom 23. November 2022 zu einem etwas anders gelagerten Sachverhalt (hierzu sogleich unter III.) nutzte der BFH jedoch die Gelegenheit, um insoweit für Klarheit zu sorgen.
Der BFH stellte ausdrücklich klar, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim nicht nur für den Erben gilt, sondern auch dann, wenn dem Erwerber das Familienheim nur per Vermächtnis zugewendet wird. Das ErbStG ordne sowohl den Erwerb infolge einer Erbenstellung als auch infolge einer Zuwendung durch Vermächtnis als Erwerb von Todes wegen im Sinne des § 3 ErbStG ein. Infolgedessen sei die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b und Nr. 4c ErbStG auch bei der Zuwendung des Familienheims per Vermächtnis zu gewähren, vgl. BFH Urt. v. 23. November 2022, II R 37/19, Rn. 21.
Der BFH hat damit die Unsicherheiten bezüglich des Familienheimvermächtnisses geklärt.
Praxishinweis: Soll dem überlebenden Ehegatten oder einem Abkömmling das Familienheim zugewandt werden, kann dies auch zukünftig per (Voraus-) Vermächtnis erfolgen, ohne dadurch die Gewährung der Steuerbegünstigung zu gefährden.
III. Möglichkeit zur Steuergestaltung
Im Rahmen seines Urteils vom 23. November 2022 hatte der BFH originär über einen etwas anderen – jedoch nicht weniger interessanten – Sachverhalt zu entscheiden: Zu klären war die Frage, ob ein Vermächtnis einer im Inland (in Deutschland) belegenen Immobilie der Erbschaftsbesteuerung unterliegt, wenn sowohl Erblasser als auch Vermächtnisnehmer Steuerausländer sind, d.h. nicht in Deutschland unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig.
Grundsätzlich unterfällt ein Vermögensanfall auch dann der deutschen Erbschaftsteuer, sofern er sich auf Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG bezieht. Hierzu gehört nach § 121 Nr. 2 BewG insbesondere inländisches Grundvermögen. Infolgedessen sah das Finanzamt das Vermächtnis bzgl. des in Deutschland belegenen Immobilienvermögens als dieser beschränkten Steuerpflicht unterfallendes Vermögen an und setzte Erbschaftsteuer fest.
Der BFH hob jedoch die Steuerfestsetzung des Finanzamtes auf. Ebenso wie bei dem Familienheimvermächtnis argumentierte der BFH eng am Wortlaut des § 121 BewG. Demnach seien Sachleistungsansprüche nicht in dem abschließenden Katalog des § 121 BewG aufgeführt. Die Tatsache, dass sich der Sachleistungsanspruch auf einen in § 121 BewG aufgeführten Vermögensgegenstand richte, sei nicht ausreichend. Folglich ist ein lediglich auf die Übertragung von inländischem Grundvermögen (oder anderen Vermögensgegenständen nach § 121 BewG) gerichteter Vermächtnisanspruch nicht als Inlandsvermögen einzuordnen und führt damit nicht zu einer beschränkten Steuerpflicht.
Praxishinweis: Sind sowohl zukünftiger Erblasser als auch Erwerber nicht in Deutschland erbschaftsteuerpflichtig, sollte stets geprüft werden, ob eine Erbeinsetzung die steuerlich beste Gestaltungsvariante ist oder ob nicht eine Zuwendung von Vermögensgegenständen im Sinne des § 121 BewG per Vermächtnis steuergünstiger sein kann.
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